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Bericht zum Einsatz im Ahrtal

Es ist schwer das Erlebte in Worte zu fassen. Auch Bilder können das Ausmaß dieser Naturgewalten nicht wiedergeben. Nur wenn man vor Ort war und mit eigenen Augen gesehen hat wie das Wasser seinen Weg durch das Tal suchte, weiß man wie hart es die Leute vor Ort getroffen hat. Wir waren 11 Tage vor Ort und haben geholfen wo wir konnten. Da uns die Schicksale so nahe gingen, haben wir der Jugendfeuerwehr Rech (Artikel hier) und der Feuerwehr Kreuzberg eine kleine Spende übergeben. Nachstehend ist der Bericht aus der Märkischen Allgemeinen Zeitung wo unser Ortswehrführer seine Erlebnisse wiedergibt.

 

Dienstag, 24. August 2021 Dahme-Kurier

Heideseer Feuerwehr hilft Ahrtaler Flutopfern

Von Franziska Mohr

Nach der Katastrophe: Elf Tage lang haben die Kameraden aus Friedersdorf und Gräbendorf im Ahrtal freiwillig
mindestens zwölf Stunden täglich gerackert – Nach Zerstörung und Tod geben Zusammenhalt und Hilfe Hoffnung

Heidesee/Ahrtal. Als die Heideseer Feuerwehrleute vor wenigen Tagen nach 14 Stunden Fahrt in das Ahrtal im nördlichen Rheinland-Pfalz rollen, herrscht im Mannschaftstransportwagen plötzlich Totenstille. Das Ausmaß der Zerstörungen dieser Sturzflut übersteigt alles, was die Kameraden bisher gesehen haben. Es verschlägt ihnen die Sprache, nimmt ihnen fast den Atem. „Natürlich kannten wir die Fernsehbilder, aber sie geben die Tragweite dieser Katastrophe eben nur punktuell und nicht in ihrer gesamten Dimension wieder", sagt der Friedersdorfer Ortswehrführer Ronny Teßmann.


Das Wasser riss in dem sonst so schönen Tal zwischen Weinhängen und romantischer Felslandschaft selbst tonnenschwere Brückenpfeiler weg, spülte Betonfundamente 200 Meter weit, ließ ganze Häuser, Straßen und Waldabschnitte verschwinden.


Ronny Teßmann, seit 33 Jahren bei der Feuerwehr, war bei so manchem Katastropheneinsatz von der Oderflut bis zu verheerenden Waldbränden dabei, aber einen solchen Einsatz wie im Ahrtal erlebte auch der Fünfzigjährige noch nicht. Am Nürburgring, inzwischen eine Zeltstadt für 1000 Helfer, beziehen die sieben Friedersdorfer und fünf Gräberdorfer Kameraden sowie der Heideseer Gemeindewehrführer Michael Hinze kurz vor Mitternacht ihr erstes Quartier, ehe sie am nächsten Morgen um 6.30 Uhr in das kleine Dorf Rech beordert werden. Die 550 Dorfbewohner beklagen allein hier den Verlust von 18 Häusern, die die entfesselte Ahr einstürzen ließ. Hier berichten ihnen die Einwohner, dass das Dorf nach der Flut für mitteleuropäische Verhältnisse bis dato unvorstellbar ganze vier Tage komplett von der Außenwelt abgeschnitten war. Erst dann zeigte sich der erste Hubschrauber am Horizont. Wie viele Blicke die Dorfbewohner in diesen mehr als 96 Stunden vergeblich in den Himmel richteten, können die Feuerwehrleute aus dem 650 Kilometer entfernten Heidesee nur erahnen.

 

Ankunft im Rech


Und sie spüren es an der Dankbarkeit sowie der überaus liebevollen Bewirtung der Rechener, als sie dort eine Führungsstelle zum Koordinieren der Hilfe aufbauen. War dies getan, fassten die Friedersdorfer und Gräbendorfer Feuerwehrleute zu, wo immer geschickte Hände gebraucht wurden. Hatten sie alle doch nur ein Ziel, sie wollten helfen, irgendwie die Not und die Verzweiflung der Betroffenen lindern. Da fragte niemand, ob dies ureigene Feuerwehraufgaben sind oder nicht. Sie packten gemeinsam mit den Einwohnern zu, stemmten Fußböden auf, schlugen Putz ab, beseitigten tonnenweise Müll und schippten den schweren, inzwischen knochenharten Schlamm auf Schubkarren. Dabei empfand es das Heideseer Team als überaus wohltuend, dass sie überall spürten, wie stark diese kleine Dorfgemeinschaft in der Stunde der Not zusammenhält. Die über Nacht obdachlos gewordenen Familien erhielten von weniger Betroffenen sofort Lebensmittel, Kleidung und einige sogar für die nächsten Monate kostenfreie Unterkünfte in einstigen Ferienwohnungen angeboten.


Die nächste Station für die Heideseer war Ahrbrück, wo sie teilweise bei Umzügen halfen, Heizöl aus Kellern pumpten, Ölbehälter zerschnitten sowie einsturzgefährdete Schuppen abrissen. Dabei hörten sie in den sechs Tagen in Ahrbrück gleich mehrfach von dem furchtbaren Schicksal einer jungen Familie, die sich in der besagten Nacht vom 14. auf den 15. Juli mit ihren Zwillingen auf das Dach ihres Fertigteilhauses retteten. Letzteres aber hielt den Fluten nicht stand und wurde mitgerissen, sodass der Vater mit seinem Sohn mehr als zwölf Stunden in einem Baum festhing, ehe es einem Anwohner wie durch ein Wunder gelang, einen Notruf abzusetzen, sodass ein Hubschrauber Rettung brachte. Seine Frau mit der Tochter saß allerdings wenige Meter weiter in einem anderen, weniger standfesten Baum fest. Für beide kam jede Hilfe zu spät. „Bei diesem Einsatz hat von allen Brandenburger Kameraden jeder mindestens einmal feuchte Augen gehabt. Das schwöre ich.", sagt Ronny Teßmann. Zumal er und seine Kameraden sich stets die bange Frage stellten, was wäre, wenn meine Familie betroffen wäre, wenn schlimmstenfalls über Nacht der Tod eines lieben Menschen, der Verlust von Haus und Garten und möglicherweise auch noch des Arbeitsplatzes zu beklagen wären...

 

Ahrbrück


Für Schuld-Diskussionen blieb keine Zeit, forderte bei den Betroffenen doch nach zehn Tagen ohne Strom und drei Wochen ohne Wasser der Kampf um das Nötigste viel zu viel Kraft. Betroffen hörten die Heideseer Männer von einem Ahrbrücker Feuerwehrmann, dass er selbst beim Evakuieren von Bewohnern unterwegs, plötzlich von seiner knietief im Wasser stehenden Frau ein Foto erhielt, das sein Haus zeigte, dass bis zur Dachkante in den Fluten versunken war. Selbst Haus und Hof verloren, war der Ahrtaler dennoch schon wieder auf den Beinen, um anderen zu helfen. Das nötigte den Heideseern Respekt ab, stimmte sie zugleich aber auch nachdenklich. „Wir fanden es beschämend, dass wir in den elf Tagen außer der Bundeswehr fast ausnahmslos nur auf ehrenamtliche Helfer meist vom Technischen Hilfswerk (THW) sowie von der Feuerwehr gestoßen sind. Von Vater Staat war nichts zu sehen", sagt Ronny Teßmann bitter. Glück im Unglück hatten andere Ahrtaler Feuerwehrleute, für die es nach dem Räumen eines Campingplatzes auf der Heimfahrt plötzlich nur noch hieß: Raus, raus aus dem Fahrzeug! Die Ahr entfesselte in einer unglaublichen Geschwindigkeit eine derartige Gewalt, dass sie ihr Leben nur noch durch einen Sprint auf den Berg retten konnten. Ihr Feuerwehrauto schwamm in den Fluten davon.


Die letzte Station dieses elftägigen Einsatzes bildete das 650 Einwohner zählende Kreuzberg im Landkreis Ahrweiler, wo die Bürger in der Flutnacht aufgefordert wurden, ihre Fahrzeuge auf die umliegenden Erhebungen zu fahren. Dabei wurde die Dramatik jener Nacht für die Heideseer deutlich, als sie von einem Mann erfuhren, der es nicht mehr zurück in sein Haus schaffte. Schon über die Knie im Wasser stehend, rettete er sich in höchster Not, nur etwa 50 Meter von seinem Haus entfernt, auf das Dach des Bahnhofs, wo er sich über Stunden mit seiner Familie nur über die Lichtzeichen seiner Taschenlampe verständigen konnte. Dass die Anwohner dann kurze Zeit später auch noch mitansehen mussten, wie die Autos an ihren Fenstern vorbeischwammen, war da schon fast eine Nebensache.

 

Die Feuerwehr in Kreuzberg


Tief erschüttert hat Ronny Teßmann auch die pure Verzweiflung eines Familienvaters aus Kreuzberg. Er hatte sich mit seiner Familie ein älteres Haus gekauft und es bis Dezember vorigen Jahres über Monate mit Geschick und jedem verfügbaren Euro von Grund auf saniert. Jetzt aber stand er nur noch vor Trümmern, beladen mit einem großen Kredit. Eine Elementarversicherung hat er, wie viele andere Betroffene, nicht.
Zu Tränen gerührt hat die Brandenburger Kameraden auch ein Hobbymusiker mit seiner Trompete. Mit dieser zieht er jetzt Abend für Abend durchs Ahrtal und spielt für alle Helfer als sein persönliches Dankeschön ein Ständchen. „Eine Feuerwehr aus Brandenburg hat davon ein Video gedreht", sagt Ronny Teßmann, wohlwissend, dass er dies wohl nie löschen wird."


Elf Tage lang haben die Feuerwehrleute aus Friedersdorf und Gräbendorf im Ahrtal mindestens zwölf Stunden gerackert. Die meisten von ihnen waren entweder gar nicht oder nur teilweise von der Arbeit befreit, sodass sie dafür nicht nur zwei freie Wochenenden, sondern obendrein auch noch kostbare Urlaubstage opferten. Die tiefe Dankbarkeit der Ahrtaler und die Tatsache, dass sie wirklich helfen konnten, hat sie immer wieder aufgebaut. Abends konnten sie dann teilweise sogar schon wieder lachen.

 

Alle eingesetzten Kameraden (Ein Gräbendorfer Kamerad fehlt leider)


„Insgesamt war dieser Einsatz mit dem tollen, kameradschaftlichen Zusammenwirken von THW, Feuerwehr und Bundeswehr für uns alle", so das Fazit des Friedersdorfer Ortswehrführers, „ganz sicher eine einzigartige Erfahrung, die trotz aller Schinderei keiner von uns missen möchte. Wir hoffen jetzt nur, dass die Ahrtaler in ihrer Not nicht vergessen werden".

Quelle: MAZ Dahmeland

Fotoserien

Bilder zum Einsatz im Ahrtal (28. 08. 2021)